Sonntag, 15. Februar 2015

Fern: Kunst in Madrid

Es muss nicht immer Beuys, Schumacher oder Gurski nordöstlich des Kölner Rheins sein - Kunst gibt es ja auch jenseits des Rheins ...

Goya statt Velázquez, Julio González statt Guernica

Könnte eigentlich Goya sein, ist es aber nicht,
sondern eine Radierung aus dem Museo Reina Sofía
Nur von wem?
Hinweise gerne an die Redaktion!



Natürlich gibt es Kunst in Madrid auch anderswo, aber die drei wichtigsten oder zumindest bekanntesten Kunstmuseen sind der Prado, das Reina Sofía und das Thyssen-Bornemisza.


1. Museo Reina Sofía: Kunst ab 1900.


Museo Reina Sofía, Madrid
Foto: Vera Kriebel, 2014
Mein Kunstmuseum Nr. 1 in Madrid: Das Museo Reina Sofía ist für alle, die nicht so auf Portraits opulenter Königinnen oder kindlich-amateurhafte Heiligenbildchen stehen (dazu unten mehr), sondern moderne und aktuelle Kunst mögen. Das Reina Sofía hat seinen Schwerpunkt bei moderner spanischer Kunst, gibt aber auch einen schönen Überblick über moderne (westliche) Kunst ab etwa 1900. Hervorzuheben sind die Sonderausstellungen, 2014 z.B. zum PopArt-Giganten Richard Hamilton (s.u.), der etwa zeitgleich auch im Kölner Museum Ludwig bei "Ludwig goes Pop" zu sehen war.

Aber wie immer im Leben gibt es auch andere Meinungen: Wer gerne "alte Schinken" mit Glanz und Glimmer mag, ist hier nicht gut aufgehoben. Zudem, kann man es auch so sehen: "So groß und toll ist es nun auch nicht! Es wird ein ziemlicher Hype darum gemacht, und das Museumsgebäude sieht ja auch erst einmal gigantisch aus, aber die Ausstellungsfläche macht ja nur einen Bruchteil davon aus. Und so viel gibt es dann auch nicht zu sehen ..."

Publikumsmagnet schlechthin ist Picassos Guernica, das hier im Reina Sofía und nicht, wie die viele denken, im Prado hängt. Toll, aber ein Raum weiter gibt es eine Entdeckung: 
Julio González, 1876-1942. Die Portraitbüsten und Torsi im Reina Sofía sind eindeutig Kubismus und zwar umwerfend (und von mir bisher so noch nie gesehen) kubistisch. Kubismus dreidimensional, im Raum. Manches andere und frühe von González kann mich nicht überzeugen, aber diese als "Masken" (máscaras) bezeichneten Portraitbüsten sind Wahnsinn!


Guernica
Museo Reina Sofía, Madrid
Foto: Vera Kriebel, 2014

Infos zum Museo Reina Sofía

  • Website Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía. 
  • Wie alle drei Museen eine exzellente Sammlung online.
  • Öffnungszeiten: Montags offen, dienstags geschlossen.
  • Eintritt frei: Mo, Mi-Sa von 19:00 bis 21:00, So 15:00 - 19:00 Uhr, außerdem ganztägig immer am 18. April, 18. Mai, 12. Oktober und 6. Dezember.
Museo Reina Sofía, Madrid
Foto: Vera Kriebel, 2014

 

 2. Prado: Die Klassiker

Menschenschlangen draußen vor den Eingängen, Menschenmassen rund um den wuchtigen Bau und innen drin auch noch Bildermassen. Horden von Besuchern vor Horden von Königinnen und Königen, Grafen und Gräfinnen, Heiligen und gekreuzigten Jesus-sen ... Der Prado ist nicht "mein" Museum, definitiv.

Drei Empfehlungen sollen es aber dann doch werden. Statt der süßen Infantin samt ihren Hoffräulein (Meninas) von Velázquez oder den metallischen überlangen Wahnsinnigen von El Greco

Und drittens Francisco José de Goya y Lucientes, 1746-1828. Der Maler, bei dem man immer denkt, es seien zwei Maler und/oder ihn mit El Greco verwechselt (weil der auch Spanier war (ja, ja: als spanischer Maler berühmt wurde) und so ähnlich heißt) oder man denkt, es gibt zwei gleichen Namens. Nichts da. Es ist einer, es gibt nur einen Goya. Und der hat ganz konventionell wie Velázquez irgendwelche Adligenportraits gemalt, aber auch ganz anderes, was auch aus dem 20. Jahrhundert stammen könnte. Düster-neblige Visionen, makabre Skizzen ... Hund zum Beispiel, im Raum 67. Ein Wahnsinn von Bild (Infos Wikipedia). Oder die Pinturas negras (Schwarze Bilder, Infos Wikipedia).


Infos zum Prado



Museo Thyssen Bornemisza, Madrid
Foto: Vera Kriebel, 2014

3. Museo Thyssen-Bornemisza

Das äußerlich eher unscheinbare Museo Thyssen-Bornemisza (spanisch meist einfach: "el Tissen") beherbergt die gigantische (ehemals private) Sammlung des Ehepaares Hans Heinrich und Carmen Thyssen-Bornemisza, über die das Internet zumindest auf den ersten Blick erstaunlich wenig Information bereithält.

Aber diese Sammlung ist nichts für diejenigen, die sich am Impressionismus mit 16 sattgesehen haben und die mit früher italienischer Kunst (span. Primitivos italianos; engl. Italian Primitives) nichts anfangen können, also italienischer mittelalterlicher vorw. vor 14. Jh. und im 14./15. Jh. entstandender Kunst, oft in der Tradition der byzantinischen Ikonenmalerei, flächig, primitiv und ohne vertiefte maltechnische Kenntnisse ... 

Hinzu kommen spanische Malerei des 17. Jh. und ein paar Kleckser Gegenwartskunst, zum Beispiel Pop Art.

Infos zum Museo Thyssen-Bornemisza

  • Website Museo Thyssen-Bornemisza. 
  • Sammlung online. Zeitschiene ausgestellte Werke, chronologisch dargestellt.
  • Sehr schönes virtuelles Museum.
  • Öffnungszeiten: montags offen! Montags 12-16 Uhr, dienstags - sonntags 10-19 Uhr.
  • Eintritt frei: Mo 12.00 - 16.00 Uhr.
  • Zu den Thyssen-Bornemiszas: Handelsblatt, 2004,
    Dietmar Pieper, Spiegel, 2001: "Die Dynastie der Thyssens wurde im 19. Jahrhundert von August Thyssen, dem Stahlbaron, begründet. Was 1867 mit einem Eisenwalzwerk in Duisburg begann, wuchs zu einem der mächtigsten europäischen Industriekonzerne heran, der 1911 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Von den vier Kindern August Thyssens trat nur Sohn Fritz in das Unternehmen ein, der zu den frühen Förderern Adolf Hitlers zählte, dann aber gegen den Krieg protestierte. Bruder Heinrich, geboren 1875, zog es nach Ungarn, wo er die Baronin Margit Bornemisza heiratete und sich von seinem Schwiegervater adoptieren ließ. 1921 kam Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza als jüngstes von vier Kindern in Den Haag zur Welt. Nach dem Tod des Patriarchen August Thyssen im Jahr 1926 brachen Erbstreitigkeiten in der Familie aus, die zu einer Abspaltung der Thyssen-Bornemisza-Gruppe führten. Als Hans Heinrich, genannt Heini, sechs Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden, er wurde von einer deutschen "Nurse" erzogen. Von 1940 bis 1945 studierte er in der Schweiz Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, erwarb 1950 das Schweizer Bürgerrecht und verzichtete damit offiziell auf seinen Adelstitel. Von seinem 1947 gestorbenen Vater erbte er das Firmenimperium sowie rund die Hälfte der Gemäldesammlung, die er zu einer der kostbarsten privaten Kollektionen der Welt ausbaute. Mit seinem ältesten Sohn Georg Heinrich, den er einst zum bevorzugten Erben bestimmt hatte, liegt er seit Jahren im Streit."

4. Museo Arte Público

Eine weitere herbe Enttäuschung gleich noch hintendran:
Das Museo Arte Público (früher: Museo de Escultura al Aire Libre de la Castellana), das Museum von Kunst im öffentlichen Raum, also, nein, wirklich: ein paar - zugegeben: hochkarätige - Skulpturen lieblos und wie illegal abgeladen links und rechts einer Ausfallstraße (dem Paseo de la Castellana), meistenteils unter einer Brücke. Das war's. Den Weg kann man sich getrost sparen.

Infos zum Museo Arte Público

Terrasse, Círculo de Bellas Artes, Madrid
Aussichtsplattform, Círculo de Bellas Artes
Madrid




Für's Chillout gerade richtig
Terrasse, Círculo de Bellas Artes, Madrid


  3Tipps noch

  • Madrid-Card: Die ist nicht billig, und v.a. sind der ÖPNV nicht inklusive, auch der Escorial nicht und in Madrid selbst ebensowenig die (ebenfalls nicht zu verachtenden) Kunstausstellungen des Palacio de Cibeles wie der Zutritt zur Terrasse oben im Círculo de Bellas Artes, von der man in weichen Matratzen liegend einen megageilen Ausblick über die Stadt hat (dafür sind aber inklusive der Palacio Real, der unnachahmlich kitschige Parcour im Estadio Bernabeu und die sehr empfehlenswerte Seilbahn über die Casa de Campo, dem großen Freizeitpark Madrids).
    ABER: Schön ist es ja schon, wie Prinzessin Koks am Eingang des Prado oder Palacio Real an den Schlangen der gemeinen Besucher vorbeizugehen, denn das kann man mit der Madrid-Card tatsächlich! Kein Werbegag.
    Andererseits: Nutzt man sie wirklich? Geht man tatsächlich in all diese Museen und Paläste? Hinzu kommt, dass es ja Tage oder Tageszeiten gibt, an denen der Eintritt kostenlos ist (siehe oben und bei Bedarf sollte man bei den einzelnen Museen noch einmal nachschauen).
    Infos Madrid-Card.
  • Kostenloser Eintritt: Gute Chancen auf freien Eintritt hat man am
    12. Oktober (Día de la Raza, Tag der Entdeckung Amerikas) - Eintritt frei auch im Escorial. Allerdings wissen das auch 90 Prozent aller Spanier, was bedeutet: lange Schlangen!
    18. Mai (Internationaler Tag der Museen) 
  • Madrid per Rad: In der Altstadt ist es natürlich zu voll, aber die wenigen Straßen dort sind Radfahrstraßen, d.h. Radfahrer fahren in der Straßenmitte, die Autos müssen sich nach ihnen richten. Außerhalb der Altstadt kann man - vorsichtig und langsam! - sehr gut auf den Bürgersteigen radeln.  Räder lassen sich alle Naselang ausleihen: Bicimad.
    Die Vorteile sind unübersehbar: Man hat einen viel größeren Radius als zu Fuß, man kommt auch einmal in die äußeren Innenstadt-Viertel, man sieht definitiv mehr als mit der U-Bahn und ist in der City meist erheblich schneller am Ziel als mit Bus und Bahn.

Fotos

Museo Reina Sofía, Sonderausstellung Richard Hamilton, Juni-Okt. 2014

My Marilyn
Richard Hamilton, Juni-Okt. 2014
Museo Reina Sofía, Madrid
Foto: Vera Kriebel, 2014

Richard Hamilton, Juni-Okt. 2014
Museo Reina Sofía, Madrid

Foto: Vera Kriebel, 2014

Calder
Innenhof, Museo Reina Sofía, Madrid
Foto: Vera Kriebel, 2014

Innenhof, Museo Reina Sofía, Madrid
Foto: Vera Kriebel, 2014

Richard Serra
Museo Reina Sofía, Madrid
Foto: Vera Kriebel, 2014

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