Landscapes of an Ongoing Past - Landschaften, in denen die Vergangenheit andauert. Das passt gut zum Ruhrgebiet und zu Zollverein.
|
Ab 16. August 2024 Ruhrtriennale auf Zollverein in Essen
Wie ist es, wenn alles wegbröckelt? Krieg das Land zerstört? Wenn nur die Erinnerung bleibt? Oder nicht einmal die.
Wie es ist, wenn nichts mehr ist, wie es war - das erfährt jeder im Verlauf seines Leben. Mit dem Ende von Kohle im Stahl bricht einer ganzen Region weg, was sie ausgezeichnet hat und von was und in dem sie gelebt hat. "Du bist die Zukunft, ich bin nichts mehr wert", sagt der ehemalige Hauer dem zugezogenen Schreiberling in den 1990er Jahren.
Das Künstlerpaar Ilya und Emilia Kabakov fühlen sich Zeit ihres Lebens als Bürger der Sowjetunion. Für den Palace of Projects erfinden sie etwa 70 mehr oder minder triviale, absurde oder ernste Projekte von Sowjetbürgern. Seit 2001 ist der Palace, eine matt leuchtende begehbare Spirale mit Projekträumen im Salzlager auf Zollverein.
- Mehr dazu in dem Beitrag zum Palace of Projects.
Der frühere Ostblock schaut zurück nach vorn
In der Ausstellung Landscapes of an Ongoing Past erinnern sich Künstler des ehemaligen Ostblocks, konstruieren und re-konstruieren die Landschaft, ihre Welt.
Besondere Berücksichtigung erfährt die Ukraine - schön wäre es daher gewesen, wenn die teilnehmenden ukrainischen Künstler die Ausstellung vor Ort unterstützten. Bei der Pressekonferenz ist nur einer anwesend, Nikita Kadan, dem man die sowjetische Herkunft tatsächlich noch anzusehen glaubt ;-)
Nikita Kadan Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
Seine Installation The Popasna Corner erinnert mit Fotos zum Stadtmuseum und zur Installation Biotechnosphere an die ukrainische Kleinstadt Popasna, die es seit Russlands Überfall 2022 nicht mehr gibt.
- Das Grauen der Zerstörung wird in Googlemaps fassbar, denn dort existiert Popasna im Jahr 2024 noch (Stand 17.8.2024, Satellit und Streetview anklicken). Erst beim Einzoomen wird deutlich, dass der Ort Popasna eine Ruinenstadt ist. Einzelne Punkte der Google Photosphere zeigen Ansichten vor der Zerstörung durch Russland, darunter auch das Stadtmuseum.
Popasna, zerstört
(Googlemaps)
(c) Vera Kriebel, 21.8.24
Tetianychs Installation Biotechnosphere stand in Popasna, ging aber schon in den 1980/90er Jahren verloren. Für die Landscapes wurde sie re-konstruiert.
Fedir Tetianych: Biotechnosphere. Cities of the Future. (Nachbau) |
(Wieder)Aufgebaut
Was Kadan für Popasna leisten möchte, geht Pixelated Realities für die Ukraine an: Pixelated Realities re-konstruiert unter anderem ukrainische historische Gebäude und Skulpturen in digitalen 3D-Modellen (digitization of the cultural heritage). Laut Urbane Künste Ruhr dokumentieren sie ebenfalls den ukrainischen Widerstand, Pixelated Realities spricht von "Museum of Ukrainian Victory":
"Three-dimensional reconstructions, whether of a devastated home or the rusting shell of a burnt-out car, convey emotions and truth way more immersive than traditional war photography. Our emergency war-documentary aims to preserve in 3D the evidence of russian invasion and represent objects of historical importance which suffered or changed their function drastically in Ukraine."
|
Vorbei, Vergangen, Zerstört
Die Installationen im Salzlager schauen weniger nach vorn als vielmehr wehmütig zurück: Nino Kvrivishvili erinnert mit Webteppichen an die Textilindustrie in Georgien. Zhana Kadyrova erinnert an abgerissene Gebäude und ihre Bewohner, indem sie deren Fliesen zu Kleidung verarbeitet. Marta Dyachenko erschafft mit Floating Island eine fragmentierte Stadtlandschaft, die gegenwärtig und zugleich die ihrer Kindheit ist.
Jana Gunstheimers feine Graphit-Zeichnungen erinnern an die DDR, in der sie aufwuchs.
Science Fiction in Chrom
Wunderbar ist die Videoinstallation des Albaners Driant Zeneli Maybe The Cosmos Is Not So Extraordinary, die wie ein altmodischer Science Fiction-Film daherkommt: Außerirdische - Kinder aus der albanischen Chromregion Bulqiza - folgen einer geheimnisvollen silbrigen Kugel und entdecken den Weg des Chroms in der Chrom-Fabrik in Bulqiza.
|
|
- Zeneli führt am 17. und 18. August den Kinder-Workshop "Reise ins Innere der Erde" durch.
- Wer sich weiter umsehen möchte: Thematisch verwandt ist die Installation von Danilo Halkin in der Sommerausstellung Sculptural Crossing des Skulpturenmuseums Marl: Summertime ...
Infos zu Landscapes of an Ongoing Past
"Eine Ausstellung auf der Suche nach vergangenen und zukünftigen Utopien"
auf Zeche Zollverein, Essen
- Laufzeit: 16. August 2024 – 22.September 2024.
- Adresse / Kontakt: Essen Zeche Zollverein - Kokereigelände - "Weiße Seite", Salzlager, Gebäude C88, Heinrich-Imig-Straße 11, 45141 Essen.
Das Zollverein-Gelände ist in zwei Bereiche aufgeteilt: Der bekannte Haupteingang mit dem Fördergerüst ist auf dem Gelände der Zeche.
Etwa 800 m entfernt davon ist das Gelände der Kokerei mit der markanten Schornstein-Allee.
Landscapes of an Ongoing Past findet sich auf dem Kokerei-Gelände. - Anfahrt / ÖPNV:
Ab Essen Hbf Straßenbahn 107 Richtung Hanielstraße bis zur Station Zollverein (10 Stationen, 15 Minuten). Danach zu Fuß ca. 1 km (15 min).
Das Salzlager liegt etwas abseits auf der "weißen Seite" der Kokerei (links von der Schornstein-Allee im Foto oben). Orientierungskarte zum Salzlager.
Sehr nützlich: Geländeplan zum Download. Das Salzlager ist Gebäude C88, auf dem Geländeplan oben links eingezeichnet. - Öffnungszeiten: Mittwoch – Sonntag, 12-19 Uhr.
- Eintritt frei. Der Eintritt zum Palace of Projects kostet 4 €, ermäßigt 3 €, Kinder bis 11 Jahre frei.
- Führungen, Workshops, Talks: Es gibt ein umfangreiches und spannendes Begleitprogramm. Auch für Kinder! Mehr Infos hier.
- Wer mehr zu den einzelnen Installationen erfahren möchte, dem sei das ausführliche Programmheft empfohlen.
- Website Landscapes of an Ongoing Past.
Fotos zu Landscapes of an Ongoing Past
Sehr schöne Fotos hat Ruhrgebiet Black and White.Marta Dyachenko:
Floating Island, im Hintergrund Kabakovs Palace of Projects |
Nikita Kadan: The Popasna Corner Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
Nikita Kadan in The Popasna Corner Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
Nikita Kadan: The Popasna Corner Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
Driant Zeneli: Maybe The Cosmos Is Not So Extraordinary
|
Driant Zeneli: Maybe The Cosmos Is Not So Extraordinary
|
Driant Zeneli: Maybe The Cosmos Is Not So Extraordinary
(c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
Jana Gunstheimer: Kosmos Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
|
Nino Kvrivishvili: Wandteppich-Installation in der Salzlager-Halle Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
|
Zhana Kadyrova: Second Hand Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
Yuri Yefanov: Until
the end |
Marta Dyachenko: Handgreifliche Utopie Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
Fedir Tetianych: Biotechnosphere. Cities of the Future. (Nachbau) Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
Lageplan Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
|
Nikita Kadan
|
Journalisten, Künstler, und Kuratorinnen vor Industriekulisse Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
|
Kuratorin vor Tetianychs Biotechnosphere. Cities of the Future. (Rekonstruktion) Landscapes of an Ongoing Past, Zollverein Essen (c) Vera Kriebel, 14.08.2024 |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen