Donnerstag, 26. September 2024

Tod auf dem Esstisch - Miquel Barceló in Duisburg

Miquel Barceló ist ein spanischer Künstler, ein sehr, sehr spanischer Künstler.

Schon das Eingangsbild: Ein Stier wie in Altamira. Oder zerlegt wie in einem Picasso, gefüllt mit Spanien, mit allem, was einem Spanier wichtig ist (so stellen wir uns den Spanier jedenfalls vor, oder?).  

Miquel Barceló: Vida y Muerte
Museum Küppersmühle Duisburg, 27.09.2024 - 19.01.2025
(c) Vera Kriebel, 26.9.24

Alles in Barcelós Kunstwerken evoziert Spanien. 

Stillleben, durchdrungen von düsterer Mystik, Todessehnsucht oder Todesvorahnungen. Oft schaut darin Barceló selbst im Hintergrund hervor. Der Schädel liegt auf dem Tisch, ein Memento Mori. Der Tod ist allgegenwärtig. Kraken lassen ihre Arme herunterhängen. Fische, Krebse und Blumen sind angerichtet - zum Schmaus? Selbst die angeschnittene Melone liegt gefährlich über den Tischrand hinaus und wird in den nächsten Sekunden herunterfallen. 

Ein düsteres Bild in Grautönen, Schwarz und Weiß. Farbe bringt das grüne Tischtuch und das Gelbe im Spiegelei.


Miquel Barceló: Vida y Muerte
Museum Küppersmühle Duisburg, 27.09.2024 - 19.01.2025
(c) Martin Merz, 26.9.24 (Detail)


Miquel Barceló: Vida y Muerte
Museum Küppersmühle Duisburg, 27.09.2024 - 19.01.2025
(c) Martin Merz, 26.9.24

Aber Spanien ist auch so lecker! Auf den Landschaften Barcelós lockt Spanien mit all seinen Lebensgenüssen - vor allem mit seiner Küche! Mit herrlichen Paprikahälften, Paella-Pfannen, wundervollen leuchtend-roten Fleischtomaten, mit Zitronen, Meeresfrüchten, Schwertfisch ... 

Miquel Barceló: Vida y Muerte
Museum Küppersmühle Duisburg, 27.09.2024 - 19.01.2025
(c) Vera Kriebel, 26.9.24

    Der Tod ist allgegenwärtig in Barcelós geliebtem Spanien. Im Stierkampf und auch im Stillleben. Kein stiller Tod. Und auch nicht still, unbewegt. Da ist alles Kampf. Ein Krokodil schnappt nach dem Tauro, dem Stier. Ein Hirsch liegt schrecklich verrenkt mit gebrochenem Genick auf dem angerichteten Podest, sein Leben verloren. Dahinter spanische Liköre, Flaschen, Obst, ein weiterer Hirsch, gefällt, der Kopf eines Kampfstiers hängt hinten an der Wand. Im Vordergrund ein Schädel als Memento Mori, der Mahnung der Sterblichkeit. Der Tod ist nah in Spanien. Das etwas 3 x 2 m große Gemälde düster in Licht und Schatten, halb violett, halb gelb. 

    Miquel Barceló: Vida y Muerte (Ausschnitt Katalog)
    Museum Küppersmühle Duisburg, 27.09.2024 - 19.01.2025
    (c) Vera Kriebel, 26.9.24

    Ein sehr spanisches Drama. Die Stillleben erinnern an die spanischen Stillleben, die bodegones des 17. Jahrhunderts. Und nicht zu vergessen: An die flämischen. An Abraham van Beyeren oder Peter Jacob Horemans zum Beispiel. Die Blütezeit der flämischen Stillleben fiel in die spanische Zeit. Flamen war bis in das 18. Jahrhundert hinein Teil des Spanisch-Habsburgerischen Reiches. 

    Auch sie sind voller Anspielungen auf die Vergänglichkeit und Vergeblichkeit des Lebens, voller Mystik, Allegorien, Symbolen. 

    Sehr spanisch: Das Siglo de Oro, das so genannte Goldene Zeitalter Spaniens war eigentlich keins. Spanien war damals ein Riesenreich, "in dem die Sonne nie unterging". Und doch war der Niedergang schon spürbar, kämpfte Don Quijote bei Cervantes gegen Windmühlen, ging die alte Welt unter, taumelte man im Silberrausch, den die Minen in Südamerika dem spanischen Weltreich lieferten, dem Untergang entgegen. War das Leben ein Traum (La Vida es Sueño), so der Titel eines bekannten Theaterstücks des bekanntesten Dramatikers der Epoche, Pedro Calderón de la Barca.
    "Oft sind wir an einem herrlichen Ort und bemerken, dass es diesen Himmel auf Erden bereits nicht mehr gibt."   

    • Claudia Ríos: "Nos confronta con que la vida es un sueño, porque muchas veces estamos en un lugar muy privilegiado y cuando nos damos cuenta eso ya se acabó.”
    Aber auch mit einem Augenzwinkern und mit Humor. Unverkennbar die Selbstbildnisse des Künstlers, damals noch mit etwas mehr Haar, aber bereits genauso fesch toupiert wie dessen Reste in der Gegenwart 2024 ;-) 

    Totenmasken anders:
    Miquel Barceló zwischen seinen sehr viel jüngeren Konterfeis
    Museum Küppersmühle Duisburg
    (c) Vera Kriebel, 26.9.24 


    Eine wunderschöne Ausstellung, die so richtig gut in die erdig-wuchernde Kunst der Küppersmühle hineinpasst.
    Und doch: Der Vergleich von Barceló mit Gerhard Richter zeigt auch die Vielschichtigkeit des Letzteren: Richter erfindet sich immer wieder neu, lässt sich nicht auf Vergangenheitsbewältigung (egal, wie man diese bei ihm bewertet), auf Abstraktes, auf Realismus, auf Wolken und Kühe reduzieren. Barceló ist vielleicht einen Tick zu sehr spanische Folklore.

    Infos zu Miquel Barceló: Vida y Muerte im Museum Küppersmühle Duisburg 

    Weitere Infos zu Miquel Barceló: Vida y Muerte 




    Kay Heymer (Kurator), Miquel Barceló, Walter Smerling (Chef Küppersmühle)

    Kai Heymer (Kurator), Miquel Barceló, Walter Smerling (Chef Küppersmühle)













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