In schulmeisterlicher Ruhrgebietsmanier: Musical "Das Kapital" in Dortmund

Dienstag, 15. Oktober 2024

In schulmeisterlicher Ruhrgebietsmanier: Musical "Das Kapital" in Dortmund

Nebenan ist am 13. Oktober "La Traviata" in der Oper Dortmund. Da strömen die Oberstudienratspärchen in guter biedermeierlicher Tradition. Wie anders da das Schauspiel!

Das Kapital: Das Musical
Schauspiel Dortmund
(c) Vera Kriebel, 13.10.24

Man merkt dem Schauspielhaus an, dass es Jahrzehnte zwischen klassisch sozialkritischem Lehrtheater und Vergnügungstheater mit Revuen à la "Liebesperlen" sein Publikum gezogen hat.

Scheiß-Musik

"Das Kapital" ist ein Lehrstück über den Kapitalismus in der Kultur und ein Musical zu ... nun: offensichtlich zum Vergnügen. So man denn an handwerklich gewöhnungsbedürftigem Gesang und Tanz, schrecklicher Akustik und einer ebenso ärmlichen Story wie auch dem dürftigen musikalischen Repertoire ("Scheiß-Musik" würde es vermutlich im Dortmunder Slang heißen) Gefallen findet.

Mehr: Inhalt (plus Kritik in der TdZ)

Bezeichnend ist, dass das Stück aus der Feder des laut Doollee.com meistgespielten chinesischem Dramatiker stammt. Der ist auch noch Chef des staatlichen Shanghai Dramatic Arts Centre. Wen wundert's also, dass im Stück einfache staatliche Weisheiten massentauglich herübergebracht werden. Komisch aber eigentlich, dass ein Stück dieses Vertreters chinesischer Staatskultur unkritisch in der BRD aufgeführt wird.

Das Schauspielensemble in Dortmund hat sich zwar weidlich bemüht, das Stück auf sein westliches Publikum hin anzupassen und jede Menge Brüche der alleinigen Wahrheit in die eigene Inszenierung hineingearbeitet, aber: westlicher Ballermannkitsch und allzu offensichtliche Brüche in der Geradlinigkeit der simplen Lehrstory machen das Ganze nicht wirklich besser.

Wie anders Die Parallelwelt 2018/2019, noch unter der Dortmunder Intendanz von Kay Voges. Tolle Musik, einfallsreiches Spiel, allerdings muss ich Detlef Baur von Die deutsche Bühne auch zustimmen: Es "bleibt auch ein Gefühl der Leere". Weitere Kritik: Deutschlandfunk.

Einfach gestrickt sind Musicals ja meist, schulmeisterlich ist nicht allzu gute Ruhrgebietstradition, aber mit - um denn doch versöhnlich zu schließen - einigem ruhrgebietstypischen Situations- und Wortwitz, und immerhin waren es für die meisten Zuschauer zweiundeinviertel Stunden (ohne Pause) Kurzweil.