Sonntag, 6. März 2016

Düsseldorf, Kunsthalle - Song Dong: Behutsame Subversion

Letzte Woche! Nur noch bis 12. März 2016. Am Eingang eine Polizeiarmee. Ist das hier politisch? Drinnen schöne lebensgroße Fotos, in denen der Künstler die chinesische Erde küsst und wie Neptun im Wasser steht. Ist das poetisch? In der Halle als Hauptwerk ein Sammelsurium der Entrümpelung aus Mutters Haus. Banalitäten als Kunst?

Song Dong inmitten von Waste Not
Kunsthalle Düsseldorf, 6.12.2015 - 12.03.2016
(C) Vera Kriebel, 2015

Song Dong: Fremd und nah zugleich

Er ist auf dem internationalen Kunstmarkt einer der erfolgreichsten Chinesen. Seine Werke sind publikumswirksam, manchmal poetisch, oft mit einem gefälligen Touch, erschrecken oder provozieren nicht wirklich. Auf den ersten Blick ist der Besucher enttäuscht. Das alles wirkt so banal, hübsch drapiert. Er gefällt, man kann es nicht anders sagen. Seine Werke handeln von ihm und seiner Familie und seiner Stadt und seinem Land. Man ist versucht zu schreiben: kleinbürgerliche Kunst des 21. Jahrhunderts.

Song Dong: Wir essen die Welt

Da ist die Landkarte aus Bonbons, da sind der sorgfältig sortierte Hausrat seiner Mutter, die gewissenhaft gesammelten Hausschilder, die einfühlsamen Annäherungsversuche an seinen Vater über Videoinstallationen, seine Polizisten-Konterfeis, die Papierstapel seiner Tagebucheintragungen, die Bretterbuden, die kraftvollen Fotos seiner Wasserstempel-Performance und die sehr poetischen Bilder vom Tianmen-Platz, die Video-Fahrradfahrt durch Bejing, der Boden voller Holzsitze und Steine, auf die wir Besucher uns flüchtig mit Wasser verewigen können.

Auf den zweiten Blick ist das alles aber nicht nur viel subversiver, als zunächst gedacht. Die heimeligen Installationen führen in ungeahnte Tiefen. Da ist das Chinesische, das Traditionelle, das Gehorsame, da ist zugleich auch das, was wir Menschen alle tun und getan haben, was uns alle berührt.


Doorplate
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016
Fotos (C) Martin Merz, 2015

Doorplate - Landfraß

Die Radfahrten durch Peking führen durch Viertel, die für das neue Peking und seine Olympiade 2008 abgerissen wurden. Eine Wand wie ein Setzkasten mit Hausschildern und den Überresten dieser Häuser - Opfer oder Hinterlassenschaften oder einfach nur wertloser Schutt der Pekinger Stadterneuerung.
Die Bonbons auf der Landkarte werden durch uns Besucher aufgegessen, wir fressen die Erde weg. (In einer anderen, leider in Düsseldorf nur als Video präsenten Installation "Eating the City" fressen wir uns durch die Schoko-Hochhäuser einer modernen Metropole.)
Unser Raubbau an der Welt. Andererseits Kunst harmlos und als Event: Essen ist wichtig in der chinesischen Kultur. Essen als intellektuelles und haptischen Erlebnis.


Metal, Wood, Water, Fire, Earth, 2012
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016
Foto (C) Martin Merz

Breathing - Nachrichten aus Wasser 

Chinesen üben Kalligraphie, indem sie draußen, im Park, auf der Straße, chinesische Schriftzeichen auf den Boden pinseln, mit Wasser. Das gab die Anregung zu "Metal, Wood, Water, Fire, Earth", eine Installation, die der (meiner Meinung nach schöneren, ausdrucksstärkeren) im DKM Duisburg "Write your Message with Water" gleicht. Die flüchtigen Nachrichten sind in sich subversiv, sind sie dem (Überwachungs)Staat doch nur schwer zugänglich.
Ähnlich doppelbödig auch die Dokumentation zum Tianmen-Platz. Oder zum Einfluss, zur Wirkung, den der Einzelne hat. Zum Abdruck, den er hinterlässt. "Breathing" (1996) ist 2-teilig: 40 Minuten be-atmet (nicht: küsst, wie man zuerst meint) Song Dong den gefrorenen Boden des Tianmen-Platz, bis sich ein Eisfleck bildet. Im zweiten Teil schafft sein Atem kein Bild auf einem zugefroren Pekinger See.
Ein chinesische Erde küssender Chinese, eigentlich harmlos, selbst auf dem Tianmen. Tianmen, 1989, das hat diese Generation geprägt, Vorher war alles Aufbruch, danach zog man sich zurück. Manche wie Ai Weiwei, Wang Gongxin und Lin Tianmiao gingen schon vorher dorthin, wo sie sich freier zu fühlten meinten, in die USA. "Es gab keinen, der nicht betroffen war, wir alle waren betroffen, waren Teil der Tianmen-Bewegung." Song Dong hatte klassische Malerei studiert, danach war es nicht mehr möglich, einfach chinesisch zu malen.

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016
Foto (C) Martin Merz

Mutter Erde. Der Vater in uns - Touching my Father. Waste not.

Die Mutter ist die Sammlerin, die Hüterin des Hauses und des Familienschatzes. Nichts wird verschwendet, weggeworfen. Das ist keine Wegwerfgesellschaft. Hier wird obsessiv aufgehoben und bewahrt. "Waste not" gilt als Hauptwerk von Song Dong.

Die chinesischen Polizisten, geballt am Eingang der Kunsthalle und verteilt im Gebäude, sind bedrohlich und Hüter der Ordnung (welcher?). Und sie sind Konterfeis von Song, sind die Abbilder des "Polizisten in seinem Inneren".

Zwei Säle nähern sich dem Vater, diesem universalen Vertreter der Hierarchie, des Patriarchats, der Obrigkeit, des Verdrängens, der Distanz. Song schafft mit seiner Kunst die vorsichtige Annäherung an den unnahbaren Vater. Song hat seinen Vater zum ersten Mal berührt, als er tot war. Als sein Vater todkrank war, im Sterben lag, näherte er sich ihm mit einer Videoprojektion: Eine Hand tastet über den Vater. Dieser Film läuft in den Museen der Welt, in der Kunsthalle. Es gibt auch Videos, die das Sterben des Vaters dokumentieren, die nicht zu sehen sind. Sie liegen in einer Vitrine. Weit weg und doch ganz nah. Noch ein "Brief an den Vater".

Und das ist es wohl, weswegen Song Dong so erfolgreich ist: Er spricht auf eine - für uns - sehr chinesische Art und Weise westliche oder sogar universale Erfahrungen und Sehnsüchte an.


Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016

Infos zu "Song Dong" in Düsseldorf

Ausstellung in Kooperation mit dem Gro­nin­ger Mu­se­um (Nie­der­lan­de)
  • Laufzeit: 6. Dezember 2015 – 12. März 2016. 
  • Adresse / Kontakt: Kunsthalle Düsseldorf, Grabbeplatz 4, 40213 Düsseldorf, +49 (0)211 - 89 962 4.
  • Anfahrt / ÖPNV: Am besten mit dem ÖPNV vom Hauptbahnhof mit den U-Bahnen U70, U74, U75, U76, U77, U78, U79 bis Haltestelle Heinrich-Heine-Allee. Von dort sind es nur etwa 300 Meter Fußweg.  Anfahrtsskizze mit Infos für Autofahrer.
  • Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag, Feiertage: 11 – 18 Uhr.
  • Eintrittspreise: 6 €, ermäßigt 3 €.
  • Freier Eintritt: Kostenlos ins Museum an jedem 2. Sonntag im Monat (Familientag) und an jedem letzten Donnerstag im Monat von 18 – 20 Uhr.
  • Web: Song Dong, Kunsthalle Düsseldorf
  • Sehr guter und empfehlenswerter Katalog (39,90 Euro).  
  • Film zum Bericht bei Cultrd.TV
  • Infos zu Song Dong, Jahrgang 1966, geboren in Bejing. Übrigens: Song ist der Nachname und ausgesprochen wird sein Name nicht Song Dong, sondern "Sung Dung". Song Dong gilt wie Ai Weiwei als Konzeptkünstler

Fotos "Song Dong", Kunsthalle Düsseldorf

Sofern nichts anderes erwähnt: Fotos (C) Vera Kriebel, 2015



Düsseldorfer Kunsthalle
Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Düsseldorfer Kunsthalle
Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz




Song Dong: Waste not

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016
Foto (C) Martin Merz



Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz


Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 
Foto (C) Martin Merz

Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 



Interview mit Song Dong - Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016


Interview mit Song Dong - Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 


Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 


Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 



Waste not
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016 


Song Dong: Metal, Wood, Water, Fire, Earth


Metal, Wood, Water, Fire, Earth, 2012
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016
Fotos (C) Vera Kriebel, 2015

Metal, Wood, Water, Fire, Earth, 2012
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016
Fotos (C) Vera Kriebel, 2015


Song Dong: Policemen




Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016


Policemen
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016


Policemen
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016

Policemen
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016


Policemen
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016
Foto (C) Martin Merz, 2015

Policemen
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016
Foto (C) Martin Merz, 2015

Song Dong: My first Home

So groß war es, das erste Zuhause von Song Dong, das ließ sich rekonstruieren. Und ansonsten so, wie er es erinnert, sich vorstellt, träumt.

My first HomeDüsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016

Song Dong: The Wisdom of the Poor. Living with the Tree.

The Wisdom of the Poor. Living with the Tree.
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016

Song Dong: Breathing


Breathing
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016


Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016
Düsseldorfer Kunsthalle, Song Dong, 6.12.2015-12.3.2016





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